Klimagerechtigkeit heißt Kohleausstieg!
Der Klimagipfel in Lima, Peru, im Dezember 2014 brachte nicht den erhofften Schwung für ein globales und verbindliches Klimaabkommen in Paris Ende 2015. Nach zwei langen Verhandlungswochen verabschiedeten die Delegierten die sehr abgeschwächte und verwässerte Willenserklärung, den 2011 in Durban gestarteten Verhandlungsprozess für ein neues globales Klimaabkommen ab 2020 fortzusetzen.
Bis zum Beginn des Klimagipfels in Paris bleibt den Verhandler/innen jetzt nur noch wenig Zeit. Und es ist schon jetzt klar, dass die wesentlichen Weichenstellungen für das Abkommen auf der politischen Ebene getroffen werden müssen, außerhalb des technischen Verhandlungsrahmens. Hierfür gab und gibt es ja auch jede Menge Gelegenheiten. Der Petersberger Klimadialog und Merkels Dekarbonisierungserklärung beim G7 Gipfel waren ein Auftakt (zumindest verbal), dem nun nationale Umsetzungsschritte folgen.
In Vorbereitung auf Paris hatten sich die Mitgliedsregierungen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) zudem geeinigt, ihre jeweiligen nationalen Beiträge für das globale Abkommen einzureichen, die sogenannten INDCs (intended nationally determined contributions). Was liegt bisher auf dem Tisch? Sehr wenig. Und was es gibt, sieht äußerst mager aus. Die eingereichten INDCs kann man hier auf der Website der UNFCCC abrufen. Die Bewertung durch den Climate Action Tracker ergibt durch die Bank: die Commitments sind unzureichend bis maximal mittelmäßig.
Doch warum ist es so schwierig, Fortschritte zu erzielen? Ganz zentral muss hier auf die Rolle von „Big Oil, Gas und Coal“ hingewiesen werden, die durch gezieltes Lobbying auf nationaler und auf UN Ebene dafür sorgen, dass progressive Klima- und Energiepolitik ausgebremst wird. Kein Wunder, dass es nun eine Initiative gibt, sie aus dem UN-Klimaprozess zu verbannen.
Viele neue Initiativen
Denn wer trägt die Hauptverantwortung für den Klimawandel – und profitiert zugleich davon? 2013 wurde eine bahnbrechende Recherche in der Zeitschrift Climatic Change veröffentlicht. Der Autor, Richard Heede vom Climate Accountability Institute, fand heraus: Nur 90 fossile Produzenten sind für die Förderung bzw. Herstellung der Kohle, des Öls, und des Erdgases verantwortlich, die zusammengenommen zwei Drittel der Emissionen seit Beginn der Industrialisierung bewirkt haben. Es geht um private und staatseigene Konzerne sowie um ehemalige Staatswirtschaften. Zu diesen Unternehmen, den „Carbon Majors“, zählen u.a. Chevron, ExxonMobil, Saudi Aramco, BP, Gazprom und Shell, aber auch RWE und die RAG Steinkohle. Die 35 größten Kohleproduzenten allein sind seit 1988 (Gründung des Weltklimarats) für ein Drittel der Emissionen in der Atmosphäre verantwortlich. Diese Produzenten haben durch die Förderung und den Verkauf der fossilen Energieträger, die den Klimawandel verursachen, massive Profite erwirtschaftet. Für den Schaden, der dadurch entstanden ist und weiter entsteht, sind sie bisher nicht zur Rechenschaft gezogen worden – weder finanziell noch strafrechtlich.
Doch genau hier setzen viele neue Initiativen an: Von den Philippinen, wie eine lokalen Gemeinschaft einen Klage bei der nationalen Menschenrechtsbehörde eingereicht hat, über Vanuatu und andere pazifische Inselstaaten, die eine Klage gegen die fossile Industrie angekündigt haben, bis nach Holland, wo ein Gericht die Regierung gerade dazu verurteilt hat, ihre Emissionen bis 2020 um mindestens 25 % zu reduzieren.
Energiewende beschleunigen, Kohleausstieg einleiten
Außerdem gibt es die Klage eines peruanischen Kleinbauern: Saul Luciano Lliuya lebt in den Anden und kann den Gletschern beim Schmelzen zuschauen, wie er sagt. Das Schmelzwasser eines durch die Erderwärmung immer schneller schmelzenden Gletschers speist eine Lagune oberhalb seiner Heimatstadt Huaraz. Lliuya befürchtet, dass die Lagune dem steigenden Druck nicht mehr lange standhalten kann. Berechnungen zeigen, dass ein Dammbruch oder eine Geröll- und Eislawine eine bis zu 50 Meter hohe Flutwelle auslösen und Huaraz einfach wegspülen würde. Jetzt verklagt Lliuya mit Unterstützung von Germanwatch den deutschen Energiekonzern RWE auf Vorsorge gegen die Folgen des Klimawandels.
Wenn unsere Regierungen Ende des Jahres in Paris zusammenkommen, dann werden sie sich daran messen lassen müssen, ob sie ihrem eigenen Anspruch und ihren Versprechen gerecht werden. Für Deutschland bedeutet das vor allem: Energiewende beschleunigen und Kohleausstieg einleiten. Denn um noch mit einer einigermaßen akzeptablen Chance innerhalb des 2°C Limits zu bleiben, müssen 88 % der gesicherten Kohlereserven, ein Drittel des Erdöls und die Hälfte des Erdgases im Boden bleiben.
Um einen ersten Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit zu machen, sollten sich unsere Regierungen in Paris dafür stark machen, dass die größten Klimasünder für den Schaden aufkommen, den ihre Produkte verursachen.
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Lili Fuhr ist Referentin für Internationale Umweltpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung. Weitere Artikel von ihr im Boellblog Klima der Gerechtigkeit.