Industrie, Politik und Bürger: Gemeinsam auf dem Weg zum grünen Strom
Die Leitfrage für diesen Blog lautet: „Wie kann der Ausbau erneuerbarer Energien weiter voranschreiten und zugleich eine wettbewerbsfähige Stromversorgung für die Industrie gewährleistet werden?“ Eine umfassende Antwort wage ich nicht und möchte mich stattdessen auf einige Aspekte konzentrieren, rund um mögliche und nötige Beiträge aus der energieintensiven Industrie und auch weniger energieintensiven Branchen.
Zu Recht fordert die Industrie, dass erneuerbarer Strom planbar zu hinreichend wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein muss. So nennt zum Beispiel die chemische Industrie in ihrer 2019 veröffentlichten Roadmap 4ct/kwh (plus indirekte CO2-Kosten aus dem EU-Emissionshandel) als Voraussetzung dafür, emissionsintensive Prozesse ersetzen zu können. Selbstredend muss dieser Strom aus erneuerbaren Energien stammen, um die angestrebte Emissionsreduktion zu erzielen. Und die Konkurrenz um erneuerbaren Strom nimmt zu – etwa durch weitere Nachfrage aus dem Verkehrssektor oder zur Produktion von Wasserstoff. Kaum vorstellbar, dass dies vollständig ohne Importe bewerkstelligt werden kann, erst Recht, wenn die Zeiträume zur Erreichung der THG-Neutralität noch kürzer werden wie etwa in der aktuellen Novelle des Klimaschutzgesetzes festgelegt.
Ja, der Staat – also v.a. der Bund, aber auch Länder und Kommunen – sind gefordert, die hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen: die schon lange überfällige Veränderung der Systematik von Abgaben und Umlagen, Fördermechanismen aller Art (auch CCfD), Beschleunigung des Netzausbaus, Flächenplanung bis hin zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (übrigens nicht nur bei den Produzenten des Erneuerbaren Stroms, sondern auch bei Industrieunternehmen, die z.B. ihre Wärmeversorgung umbauen möchten), usw…
Ja, die Gesellschaft – also die Bürger – müssen mitziehen und mehr als bisher auch mal bereit sein, eine Baumaßnahme oder eine dauerhafte Anlage auch in ihrer Nachbarschaft wenigstens nicht aktiv abzulehnen. Und auch akzeptieren, wenn CO2-Preise auch ihren eigenen Konsum verteuern können – dafür aber Alternativen tendenziell günstiger und besser verfügbar werden. Ich denke, die Bereitschaft dazu nimmt zu, auch wenn hierzu sicher „Luft nach oben“ ist.
Auch die Industrie muss Beiträge leisten, wenn der „Green DEAL“ der EU auch in Deutschland umsetzbar sein soll. Dazu gehört nicht nur ein klares Bekenntnis zum Standort, sondern auch Investitionen. Es stimmt: diese werden durch fehlende und v.a. sich ständig verändernde energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen erschwert. Das gilt gerade für die energieintensive Industrie. In der Praxis werden Investitionen in Klimaschutz oder „klassisch“ in die Energieeffizienz jedoch auch durch anders motivierte Investitionszurückhaltung erschwert – nicht selten wurden klimaschutzrelevante Investitionen selbst dann nicht getätigt, wenn sie sich innerhalb von z.B. 5 oder 7 Jahren „rechnen“ – weil dies in den Unternehmen selbst gesetzten Vorgaben nicht gerecht wird. Oder die Investitionsschwerpunkte liegen aus durchaus nachvollziehbaren Gründen in anderen Investitionsopportunitäten, v.a. in weniger emissionsintensiven Branchen – deren Anteil an den Emissionen aber größer wird, wenn die energieintensiven Unternehmen sich zunehmend „defossilisieren“. Alle Branchen der Industrie können also beitragen. Sei es, dass sie auch selbst in neue Erzeugungskapazitäten investieren und solchen Investitionen auch aus eigenem Interesse höhere Priorität geben, sei es, dass sie auch branchenübergreifend kooperieren, um zum Beispiel „Leitmärkte“ schaffen. Warum soll nicht z.B. ein Auto auch mit der Auswahlmöglichkeit „aus klimaneutral produziertem Stahl hergestellt“ bestellt werden können? Natürlich mit Aufpreis, der dann auch entsprechend bessere Preise für die Grundstoffhersteller erlaubt! In „Leitmärkten“ steckt das Wort „Markt“ – und der ist nicht allein eine staatliche Angelegenheit. Auch hierzu ist eigene Initiative der Wirtschaft gefordert.
Lesen Sie auch:
MdB Dr. Ingrid Nestle – Industrie und erneuerbare Energien: gemeinsam für eine klimaneutrale Zukunft