Klimaschutz-Weltmeister mit wettbewerbsfähigen Strompreisen – geht das?
Wenn es im Fußball schon nicht klappt, dann ist Deutschland jetzt immerhin in der Disziplin „ambitionierte Klimaziele beschließen“ so gut wie Weltmeister. Denn kein anderes großes Industrieland der Welt hat sich bislang vorgenommen, Klimaneutralität schon 2045 zu erreichen. Lediglich einige skandinavische Länder gehen noch weiter, teilweise allerdings mit Zertifikate-Zukauf im Ausland.
Dabei war bereits das vor erst anderthalb Jahren beschlossene Ziel der Klimaneutralität bis 2050 so ehrgeizig, dass unsere BDI-Klimapfadestudie (2018) ein derartiges Szenario als „an der Grenze absehbarer technischer Machbarkeit und heutiger gesellschaftlicher Akzeptanz“ bezeichnet hat. Mit der Verkürzung der zur Verfügung stehenden Zeit um 16 % oder 5 Jahre wird diese Machbarkeitsgrenze nochmals deutlich härter getestet.
Eine der größten Herausforderungen bei einem solchen radikalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft ist es zu zeigen, wie Deutschland auch in Zukunft ein starkes und innovatives Industrieland sein kann. Nur wenn uns dies gelingt, wenn wir also Klimaschutz und Industrie zusammenbringen können, wird unser Weg weltweit auf Interesse stoßen und auch andere inspirieren. Und nur dann wird er relevant für den Schutz des Klimas sein. Wenn die deutsche Klimapolitik dagegen einen deindustrialisierenden Effekt haben sollte, wäre es mit der internationalen Bewunderung für die deutsche Energiewende bald vorbei.
Ein Lackmustest für das Gelingen der Energiewende ist es zu zeigen, dass es in Deutschland auch in Zukunft eine wettbewerbsfähige Metallerzeugung gibt. Metalle sind elementar für ein modernes, innovatives Industrieland und stehen am Beginn vieler wichtiger Wertschöpfungsketten. Nicht zuletzt für den verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien braucht man große Mengen von Metallen. So benötigt eine moderne Windkraftanlage einschließlich Infrastruktur bis zu 30 t Kupfer, um zu funktionieren. Und auch der Bedarf an Aluminium und an Zink steigt erheblich durch die erneuerbaren Energien wie die Windkraft und Solarenergie sowie z. B. auch durch den verstärkten Stromleitungsbau.
Da die Metallproduktion äußerst stromintensiv ist, hängt die Wettbewerbsfähigkeit davon ab, ob die deutschen Industriestrompreise international konkurrenzfähig sind. Und an dieser Stelle komme ich auf meine Eingangsfrage aus dem Titel zurück, ob nämlich Klimaschutz-Weltmeister und wettbewerbsfähige Strompreise zusammengehen können. Bislang ist Skepsis angebracht. Hat doch die deutsche Energiewende-Politik zu einem weiteren Weltmeistertitel geführt, wenn auch im negativen Sinne: Deutschland ist Weltmeister bei den hohen Strompreisen.
Inzwischen gibt es zwar erste Lichtblicke, wenn etwa gleich mehrere Parteien im Wahlkampf eine Abschaffung der EEG-Umlage fordern. Auch wir vom BDI fordern dies mit Nachdruck. Daneben muss aber – genauso wichtig – auch Abhilfe bei den stark steigenden Stromnetzkosten gefunden werden, die derzeit zum Hauptkostentreiber bei den Strompreisen werden. Hierfür hat bereits die Kohlekommission einen Zuschuss von 2 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt für die Übertragungsnetzentgelte gefordert, was auch gesetzlich verankert wurde. Nun müssen diese Gelder aber auch tatsächlich in der neuen Legislaturperiode fließen, damit die gewünschte stromkostendämpfende Wirkung eintreten kann.
All das macht deutlich: Eine der ersten Aufgaben der neuen Bundesregierung nach der Wahl muss eine umfassende und überzeugende Reform der Abgaben und Umlagen beim Strompreis sein. Strom muss in Deutschland dauerhaft günstig werden, damit die Nutzung des – immer grüneren – Stroms auch wirtschaftlich attraktiv wird. Wenn dies gelingt, wäre dies ein großer Schritt für den Industriestandort Deutschland und gerade auch für die Wettbewerbsfähigkeit der Metallindustrie. Und es wäre ein großer Schritt hin zur Versöhnung von Klimaschutz und Industrie. Und dann sollte Deutschland auch gerne bald mal wieder Fußball-Weltmeister werden.
Holger Lösch
Stellvertretender Hauptgeschäftsführer