Verlässliche Rahmenbedingungen für die Transformation der Industrie
Das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundesklimaschutzgesetz hat deutlich gemacht, was mit Blick auf die vor uns liegende Jahrhundertaufgabe nötig ist: Politik und Gesellschaft müssen beim Klimaschutz deutlich ambitionierter handeln.
Als Landesregierung begrüßen wir die geplanten Änderungen im Hinblick auf die Planungssicherheit mit der Perspektive Klimaneutralität bis 2045. Wir beabsichtigen, die Klimaziele im Landesklimagesetz, das sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet, ebenfalls anzuheben.
Nach der Festlegung der Ziele muss nun aber die entscheidende Frage nach der Umsetzung, nach der konkreten Ausgestaltung des Transformationspfades von Wirtschaft und Gesellschaft, ins Zentrum der Debatte rücken. Wir brauchen keinen Wettbewerb um die höchsten Klimaschutzziele, sondern um die besten Umsetzungskonzepte und Lösungen. Die sich aus der Verschärfung der Klimaziele ergebenden Herausforderungen für die Sektoren Energiewirtschaft und Industrie sind erheblich und können nur mit verlässlichen und ermöglichenden Rahmenbedingungen bewältigt werden.
Für Nordrhein-Westfalen haben wir mit dem Industriepolitischen Leitbild, der Energieversorgungsstrategie und der Wasserstoff-Roadmap Handlungsfelder und Maßnahmen vorgelegt. Die Bundesregierung steht in der Pflicht, Rahmenbedingungen für die Zielerreichung zu entwickeln und mit den Bundesländern abzustimmen. Zu diesen energie- und industriepolitischen Handlungsfeldern gehören:
Versorgungssichere Transformation des Energiesystems
Die weitere Reduzierung der Kohleverstromung wird nur dann umsetzbar sein, wenn die energiewirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind. Es braucht ein Marktdesign für Versorgungssicherheit und für den Einsatz von Gaskraftwerken als Brückentechnologie und deren perspektivischer Umrüstung auf wasserstoffbasierte Energieträger sowie Anreizstrukturen für klimaverträgliche und flexible Erzeugungs- und Speicherkapazitäten. Auch der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft muss verstärkt unterstützt werden.
Ausbau Erneuerbarer Energien
Die Ausbaupfade für Erneuerbare Energien müssen an die neuen Zielsetzungen angepasst und mit entsprechenden Maßnahmen zum beschleunigten Ausbau – im Gleichklang mit leistungsfähigeren Netzen und Speichern – flankiert werden. Erforderlich ist deshalb, den nun vorzuziehenden Netzausbaubedarf zu identifizieren und eine vorzeitige Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes spätestens im nächsten Jahr vorzulegen.
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie
Die Transformation der Industrie benötigt regulatorischen und finanziellen Raum. Ein erster Ansatzpunkt wäre eine schrittweise Absenkung und Abschaffung der EEG-Umlage. Hierfür muss der bereits begonnene Weg der Finanzierung über den Energie- und Klimafonds, unterstützt durch Bundeszuschüsse zum EEG-Konto, konsequent zu Ende gegangen werden.
Für die erforderlichen Veränderungen sind erhebliche Investitionen nötig, die nur mit den entsprechenden Rahmenbedingungen mobilisiert werden können. Es ist sicherzustellen, dass die Industrie, insbesondere in den energieintensiven Branchen, ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten kann. Die Förderung von Investitionen in klimafreundliche Technologien muss beihilferechtskonform und mit der Bereitstellung entsprechender Mittel erfolgen. Notwendig ist auch die Ergänzung der derzeit noch lückenhaften Förderkulisse und die Vereinfachung des Zugangs zu den dringend benötigten Fördermitteln. Schließlich muss ein Konzept für branchenübergreifende Carbon Contracts for Difference zur Förderung von Betriebskosten und Schaffung von Investitionssicherheiten in klimafreundliche Technologien erarbeitet werden.
Bereits diese hier skizzierten Handlungsbedarfe zeigen, worauf es ankommt: Ein gestiegenes Ambitionsniveau muss sich in den Anstrengungen widerspiegeln. Für die Transformation der Industrie müssen die Rahmenbedingungen mit einem innovations- und investitionsfreundlichem Marktdesign, einer Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und einer Entlastungsstrategie für die Wirtschaft zügig und entschlossen gestellt werden.
Christoph Dammermann
Staatssekretär
Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen