EU-Pläne: Auch Deutschland muss künftig mehr recyceln
Sekundärrohstoffe werden durch Recycling aus entsorgtem Material gewonnen. Die Abfälle werden somit zu einer inländischen Mine, während natürliche Vorkommen geschont und CO2 eingespart werden. So stammten in 2014 in Deutschland 42 Prozent des Kupfers, 45 Prozent des Rohstahls und 51 Prozent des Aluminiums aus sekundären Rohstoffen. Da Deutschland bei Metallen und vielen anderen Hightech-Rohstoffen praktisch vollständig von Einfuhren abhängig ist, kann die Nutzung von Sekundärrohstoffen auch Importabhängigkeiten reduzieren und verbreitert so die Versorgungsbasis der deutschen Wirtschaft.
Weg von der Wegwerfgesellschaft
Um künftig Abfälle zu vermeiden, Ressourcen zu schonen und das Klima zu schützen, müssen bisherige Produktions- und Konsummuster grundsätzlich überdacht werden. Die EU-Kommission möchte jetzt auch mit ihrem im Dezember 2015 veröffentlichten Kreislaufwirtschaftspaket weg von der Wegwerfgesellschaft. Gestärkt werden soll die vor einiger Zeit etablierte Abfallhierarchie, in der zuerst Müll vermieden, dann wiederverwendet, recycelt, energetisch verwertet und im letzten Falle beseitigt wird. Bis 2030 sollen in den meisten EU-Staaten 65 Prozent des Siedlungsabfalls und 75 Prozent des Verpackungsabfalls recycelt sowie maximal 10 Prozent aller Abfälle noch deponiert werden. Einfach wird das nicht: In 13 Ländern wird noch mehr als die Hälfte des Haushaltsmülls einfach weggekippt, nur sieben Staaten deponieren weniger als 10 Prozent ihres Mülls.
Deutschland ist derzeit mit einer Recyclingquote von 64 Prozent beim Siedlungsabfall europaweit Spitzenreiter. Allerdings wird in Deutschland aller Abfall als recycelt gewertet, der in den Verwertungsanlagen ankommt – also auch derjenige, der danach eventuell verbrannt wird. Die EU-Kommission hingegen will in Zukunft nur noch solche Abfälle als recycelt ansehen, die auch tatsächlich wiederverwertet werden. Dadurch dürfte die deutsche Recyclingquote beim Siedlungsabfall auf 40 bis 50 Prozent fallen, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft. Um die 65-Prozent-Marke der EU-Kommission durch diese implizite Zielverschärfung zu erfüllen, muss die Quote hierzulande bis 2030 also jährlich um 0,9 bis 1,6 Prozentpunkte steigen, zeigen eigene Berechnungen. In den vergangenen zehn Jahren schaffte Deutschland allerdings nach der bisherigen Definition nur einen Anstieg von 0,3 Prozentpunkten pro Jahr. Noch aber ist nicht ausgemacht, ob die Recyclingquote tatsächlich so neu definiert wird. Darüber wird aktuell in Brüssel noch verhandelt.
Wichtig ist auch Downcycling, d.h. die Wiederverwertung der Rohstoffe bei sinkender Qualität, so weit sinnvoll zu vermeiden – hierfür spielt eine Bewertung der Recyclingqualität eine wesentliche Rolle. Auch dieses Thema geht die EU-Kommission an: über Qualitätsstandards möchte sie mehr Vertrauen in Sekundärrohstoffe schaffen.
Neues europäisches Umweltbewusstsein
Die deutsche Recyclingwirtschaft ist dank ihres Know-hows und ihrer Recyclingtechnologien in einer hervorragenden Ausgangsposition, jetzt muss sie Tempo machen. Acht der zehn weltweit innovativsten Unternehmen für die Konstruktion von Wertstofftrennungsanlagen kommen laut IW Köln aus Deutschland. Die deutsche Recyclingwirtschaft könnte auch anderen Ländern dabei helfen, ihre Quote deutlich zu verbessern – und würde so vom neuen europäischen Umweltbewusstsein profitieren.
Da bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produkts bereits in der Designphase festgelegt werden, können die Forschung und Entwicklung in den produzierenden Unternehmen Produkte so gestalten, dass der Materialeinsatz möglichst effizient ist und schon vor der Herstellung klar ist, wie sie später wiederverwertet werden müssen. Um ein Konzept zu stärken, dass den gesamten Produktlebenszyklus in den Blick nimmt, möchte die EU-Kommission die Ökodesign-Richtlinie um die Parameter Reparierbarkeit, Lebensdauer und Wiederverwendung erweitern. Wichtig ist hier, dass hier keine konkreten Produktanforderungen vorgegeben werden, um einen Wettbewerb um die besten Technologien und Materialien auch künftig zu gewährleisten.
Dr. Adriana Neligan,
Senior Economist für Green Economy und Umweltpolitik
Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.